Jahr für Jahr ziehen Menschen in unsere Stadt, 2030 könnte Hamburg dann zwei Millionen Einwohner haben. Damit auch jeder Wohnraum findet und Grünflächen erhalten bleiben, haben wir bereits im Rot-Grünen Koalitionsvertrag das „Magistralenkonzept“ verankert. Entlang der mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen – der Magistralen – wurde in den 50er – 70er Jahren oft nur ein- bis dreigeschossig gebaut: Mit einer Änderung des Planrechts soll den Grundstückseigentümern die Möglichkeit gegeben werden, dies bei Wunsch erheblich aufzustocken, also z.B. auf 4-8 Geschosse. Der Bezirk Altona hatte beispielsweise für seine Magistrale (B431 von der Streesemannstraße in Altona Nord bis zur Wedeler Landstraße in Rissen) ein theoretisches Gesamtpotenzial von 20.000 Wohnungen genannt. Fachplaner sprechen hamburgweit von einem Potential von 120.000 Wohnungen!
Das schaffte bei der Stadtentwicklungsbehörde neue Phantasien, da brachliegende Flächen für große Wohnungsbauvorhaben (Stichwort Neue Mitte Altona oder Oberbillwerder) in unserer Stadt fast nicht mehr vorhaben sind. Nachdem Hamburg nach dem Regierungswechsel 2011 sich dazu verpflichtete, jährlich hamburgweit bis zu 6.000 Wohnungen zu planen und zu genehmigen, ist dieser Planwert auf inzwischen 10.000 (!) gestiegen.
Weitere Vorteile wären, dass diese Wohnungen entlang bereits bestehender Verkehrsachsen geschaffen werden und diese höheren Gebäudekomplexe in ihrer Höhe für die dahinter liegenden Wohngebiete quasi als Lärmschutzwand fungieren. Natürlich ist aber die Aussicht einer höheren Bebauung vor Ort nicht immer von Zustimmung getragen
Dabei ist die Vision des Magistralenkonzepts, dass beim Neubau neben den Wohnungen auch Geschäfte und Cafés integriert werden könnten, welche mit Außengastronomie sowie einer stärkeren Begrünung am Straßenrand diese neuen Verkehrsachsen lebenswerter gestalten, denn diese sind für alle Pendler eine erste Visitenkarte unserer Stadt. Stadtplaner sprechen euphorisch von den „Boulevards von Morgen“. Öffentlich werden immer „nur“ sieben Magistralen in Hamburg für dieses Konzept benannt: Aber natürlich gibt es in Hamburg mehr von diesen Straßen, die entsprechend beplant werden und wo sich die Stadt bereits Vorkaufsrechte gesichert hat
Das tatsächliche Wohnungsbaupotenzial hängt aber maßgeblich von den örtlichen Gegebenheiten ab. Wollen überhaupt die jeweiligen Eigentümer neu bauen? Liegen diese Verkehrsachsen am Rande von Naturschutzgebieten oder geschützten Ausgleichsflächen für bereits entstandene Bauvorhaben? Um sich vor Spekulanten zu schützen, hat die Stadt sich z.B. an der Magistrale entlang der Holsteiner Chaussee für betreffende Grundstücke bereits 2019 ein Vorkaufsrecht gesichert. Das ist natürlich schlau, betrifft aber auch Abschnitte in laufenden B-Planverfahren. Hier Interessen- und Kompetenzstreitigkeiten aufzulösen, bleibt uns als politische Aufgabe für die kommenden Monate und Jahre erhalten.
Von Sabine Jansen