Die SPD erneuert und bekräftigt den Beschluss des Parteikonvents der SPD vom September 2014 und fordert im Hinblick auf die weiteren Verhandlungen um CETA und TTIP:
- Eine Zustimmung zum vorliegenden ISDS-Kapitel in CETA und in ähnlicher Form in TTIP ist ausgeschlossen. Wir brauchen keine privaten Sondergerichte, auch nicht in modifizierter Form. Fragen der Staatshaftung können nicht (auch nicht teilweise) von privaten Institutionen entschieden werden.
- Wir unterstützen grundsätzlich die Idee eines öffentlich-rechtlichen Internationalen Handelsgerichtshofs. Solange sich die EU aber nicht auf ein tragfähiges Konzept für eine derartige Institution verständigt hat, muss das Thema ISDS in den Verhandlungen mit Kanada und den USA vollständig ausgesetzt werden.
Im Hinblick auf die Ausgestaltung eines zukünftigen Internationalen Handelsgerichtshofs fordern wir:
• Es muss klargestellt sein, für welche Ausnahmefälle überhaupt die Notwendigkeit eines zusätzlichen Investorenschutzes besteht, weil die vorhandenen rechtsstaatlichen Systeme in der EU und in Kanada/USA nicht ausreichen. Das Recht der Regierungen zu staatlicher Regulierung darf dabei nicht eingeschränkt werden.
• Es muss geregelt sein, dass Investoren ggf. nicht nur ein Klagerecht haben, sondern auch verklagt werden können, z.B. bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Normen und Umweltschutzstandards oder bei Menschenrechtsverletzungen.
• Es darf keine Privilegierung ausländischer Investoren geben, d.h. es dürfen keine Klagerechte geschaffen werden, die inländischen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. - Die Klagen müssen zuerst auf dem nationalen Gerichtsweg vorgebracht werden bzw. der Kläger muss nachweisen, dass ihm der Zugang zu ordentlichen Gerichten verwehrt wurde.
- Der Internationale Handelsgerichtshof muss institutionell den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats entsprechen:
- Die Auswahl und die Bestellung der Richter erfolgt durch die Regierungen für eine feste Periode von z.B. neun Jahren.
- Die Gerichtsverfahren müssen öffentlich ablaufen.
- Es muss eine Berufungsinstanz geben.
Begründung
Die intensive öffentliche Diskussion um die Regeln für ein „Investor-State-Dispute-Settlement“ (ISDS) in den Freihandelsabkommen CETA und TTIP zeigt Wirkungen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Italien und Österreich wächst die Kritik an einer Paralleljustiz für multinationale Konzerne. Der österreichische Bundeskanzler Faymann hat gefordert, die ISDS-Regelungen aus CETA und TTIP herauszunehmen.
Die EU-Kommission räumt inzwischen ein, dass die bisherige Praxis der Schiedsgerichte zu „undurchsichtig und anfällig für Missbrauch“ war. Die EU-Handelskommissarin Malmström hat auf einzelne Kritikpunkte reagiert und Vorschläge für eine Reform der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen von TTIP vorgelegt. Diese Vorschläge sehen aber die grundsätzliche Fortführung der ad-hoc-Schiedsstellen mit Schiedsrichtern vor, die von Regierungen und Investoren ausgewählt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Vorschläge von Kommissarin Malmström als „noch nicht einigungsfähig“ bezeichnet. Minister Gabriel hat ein eigenes Konzept ausarbeiten lassen, nach dem die derzeitig außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehenden Schiedsgerichte durch einen ständigen Europäisch-Amerikanischen Handelsgerichtshof („US-EU Permanent Investment Tribunal“) ersetzt werden sollen.
Derzeit ist aber noch nicht absehbar, ob die EU diese Vorschläge übernimmt und wie sie diese in den Verhandlungen mit Kanada und den USA umsetzen kann.
Dies ist aus folgenden Gründen zwingend erforderlich:
•Wenn die in CETA vorgesehenen Regeln zu ISDS in Kraft treten können, wird die private Schiedsgerichtsbarkeit auf unbestimmte Dauer fortgesetzt und noch wesentlich ausgedehnt (es können dann auch rund 80 % aller US-Konzerne klagen, weil sie Niederlassungen in Kanada haben). Ein möglicher Europäisch-Amerika-nischer Handelsgerichtshof wäre dann überflüssig oder bestenfalls ein zusätzliches Klageangebot.
•Ohne fundierte und von den Mitgliedsstaaten getragene eigene Position ist die EU nicht verhandlungs- und durchsetzungsfähig, wenn sie den Investorenschutz im Rahmen von Freihandelsabkommen neu regeln will.