Was ist Alltagsrassismus?

Was ist Alltagsrassismus?
Am 25.Mai kam im US-Bundesstaat Minnesota George Floyd ums Leben. Dieser Fall von polizeilicher Gewalt war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Jahrelanger konstitutioneller Rassismus auf der einen Seite, Unverständnis der weißen Bevölkerung, auch in liberalen Kreisen, auf der anderen Seite. Das Gefühl von ökonomischer Unsicherheit aufgrund von Corona Krise und dem toten „American Dream“ , gepaart mit dem Wissen, dass auch die Polizei einen nicht mehr schützt, muss erdrückend sein.
Dabei sind das auch nur die Dinge, die ich -in Deutschland lebend – nur auf der Oberfläche des Eisbergs beobachten kann. Einigen Aspekten, an denen Minderheiten in den Staaten leiden, bin ich als Mensch mit sichtbarem Migrationshintergrund auch hier in Deutschland ausgesetzt. Es sind nicht die Nazis, AfD-WählerInnen, Identitären, welche mir tagtäglich Kopfschmerzen bereiten. Nicht die Reden von Alice Weidel, Nazi- Spams im Internet oder Nazi-Graffiti in den U-Bahnen. Meine Sorge liegt beim weißen Moderaten. Damit meine ich Menschen, die ich nicht als Feind ansehe, viel eher als Freund. Als Freund, aber nicht als Verbündeten. Menschen, welche ihr Privileg leben, vielleicht sogar bedauern, eines zu haben. Die keinesfalls Rassisten sind, denn sie wählen nicht rechts, legen jedoch das ein oder andere Mal unbewussten Rassismus an den Tag. Martin Luther King sprach in einem Brief aus einem Gefängnis in Birmingham (16.04.1963) vom weißen Moderaten, welcher eher Ordnung statt Gerechtigkeit anstrebt. Einen negativen Frieden gegenüber einem positiven Frieden bevorzugt, nur um Spannungen zu vermeiden. Jedes Mal, wenn nun jemand aus meinem Freundeskreis nur darüber spricht, dass in den Staaten die Protestierenden nicht friedlich seien und nicht die Wut dahinter versteht, weiß ich, dass er ein Freund sein mag, aber keinesfalls ein Verbündeter.
Vor einigen Tagen bei der Arbeit musste ich eine neue Mitarbeiterin in die Arbeitsvorgänge einweisen und sie einarbeiten. Eine sehr nette Person, der ich außer dem Umgang mit Technik nicht wirklich viel erklären muss. Nun scheint nach einer halben Stunde alles Arbeitstechnische geklärt zu sein und man hat Zeit für normale Gespräche. „Sag mal, Armin, aus welchem Land kommst du eigentlich?“ Ich muss schlucken. Meine Antwort, dass meine Eltern aus dem Iran kämen, gab ich spontan, denn je nach Laune variiere ich meine Antwort zu dieser Frage, welche ich schon ein Dutzend Mal gehört habe. „Für einen Iraner sprichst du aber ganz gut Deutsch. Dein Name ist sogar auch ein deutscher.“ Ich fühle mich unwohl und bringe ganz leise ein „Ich bin auch hier geboren“ heraus. Dass ich den ganzen Tag danach darüber grübeln muss, wie gerne ich der Frau erzählt hätte , wie ich wirklich dazu stehe ,weiß niemand. Wie gerne ich ihr gesagt hätte, ich sei genauso ein deutscher Staatsbürger wie jeder andere hier geborene Mensch und ihr ans Herz legen würde , ihre Definition dazu, was „ein Deutscher“ sei ,zu überdenken. Diese Situation wäre als Einzelfall kein Problem geesen. Als Deutscher mit schwarzen Haaren, braunen Augen und etwas dunklerer Haut werde ich jedoch tagtäglich, auch auf andere Art und Weise, daran erinnert, ich gehöre nicht dazu -und das nicht von Nazis und Rechten, sondern von weißen Moderaten, die SPD, Grüne oder Linke wählen. Hier beginnt die Spaltung und wir müssen uns jeden Tag selbst hinterfragen und für solche Themen sensibilisieren.