Über den Zustand in unserer Stimmungsdemokratie

Petra Röder

Bürger und Medien äußern sich enttäuscht über die Ampelparteien. Das ist ihr gutes Recht. Darf ich mich als politisch denkender Mensch aber nicht auch enttäuscht äußern: über mediale Berichterstattung und das unaufgeklärte Wahlverhalten mancher Bürger?

Ich darf und ich muss.

Mich ärgert eine false balance, deren Schaden für die Demokratie sich immer deutlicher zeigt. Der Versuch, allen Seiten gerecht zu werden, wertet selbst die abweichendste Minderheitenmeinung so auf, dass beim Normalbürger der fälschliche Eindruck entstehen kann, auf das Ringen um die Wahrheit und deren Geltungsanspruch käme es gar nicht mehr an. Und so reagiert er mindestens verwirrt, lehnt sich nicht selten an Gruppen und Positionen an, die vermeintlich eindeutig sind. Für ein demokratisches Gemeinwesen kann sich das im Endeffekt zerstörerisch auswirken, weil überall autoritäre Versuchungen winken, zumal in Umbruchzeiten, die dem Einzelnen einiges abverlangen.

Immer deutlicher wird: Die demokratische Meinungsfreiheit kann dem einzelnen Bürger die Arbeit nicht abnehmen, dass er sich selbst ein fundiertes Urteil über politische Prozesse bilden muss, wobei das im Kern nicht einklagbar ist. Wählen kann aus gutem Grund auch der politisch wenig interessierte, Kant würde sagen, „unmündige“ Bürger. Und er kann extrem interessegeleitet wählen oder sich an allgemeine Stimmungen anschließen, die von den Echokammern der (neuen) Medien geschaffen bzw. verstärkt werden.

Desto wichtiger ist es für unsere Gesellschaft, auf die Verfassung unserer Medien zu achten: Gibt es genügend Pluralität, Parteien- und Lobbyismusferne? Werden Hintergrundgeschehen und Zusammenhänge genügend ausgeleuchtet? Nicht ohne Grund mehren sich selbst in den Qualitätsmedien Leserbriefe, die eine mainstream-Berichterstattung beklagen, die „Mücken zu Elefanten hochschreiben“ und alles, wirklich alles herunterreden, was die Ampel an Reformen auf den Weg bringt. (Hamburger Abendblatt, 6.1.2024, S.2) In wessen Interesse ist das eigentlich? Jedenfalls nicht im Interesse der abhängig Beschäftigten. Vielmehr ist es Wasser auf die Mühlen der Feinde der Demokratie. „Die Arbeit der Ampel ist „wirklich besser als ihr Ruf.“ (ebenda) Welche andere Regierung hätte denn so schnell mit so vielen (sozial-)politischen Reformen reagiert wie die Drei-Parteien-Koalition? Doch manche Zeitgenossen reagieren infantil wie kleine Kinder: Der andere hat aber mehr bekommen? Auf dieser Basis lässt sich eigentlich kein demokratisches Gemeinwesen organisieren………….

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